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Bis zum Jahr 2040 wird laut jüngstem World Transport Report der Prognos AG die Güterverkehrsleistung in den zwölf größten EU-Mitgliedstaaten von heute knapp zwei auf dann 2,7 Billionen Tonnenkilometer ansteigen. Für die USA wird ein Anstieg von acht auf zehn Billionen Tonnenkilometern prognostiziert, für China sogar von 15 auf 27 Billionen Tonnenkilometer. Der wichtigste Verkehrsträger bleibt der Straßengüterverkehr. Damit verbunden sind zahlreiche Herausforderungen für die Nutzfahrzeughersteller und die Zulieferindustrie sowie die gesamte Transport- und Logistikbranche ebenso wie für Politik und Wissenschaft. Und das nicht nur in Bezug auf Effizienz und Umweltverträglichkeit, sondern vor allem auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit.
Keine Nudeln im Supermarkt, kein Bier im Getränkehandel, keine Kleidungsstücke in den Boutiquen und Kaufhäusern, keine Materialtransporte für Wirtschaft und Industrie, keine Pakete beim Endverbraucher, keine Müllabfuhr, keine Feuerwehreinsätze, keine Umzüge und vieles mehr: Es ist kaum vorzustellen, was passieren würde, wenn auf den Straßen dieser Welt keine Nutzfahrzeuge unterwegs wären. Bahn und Schiff stellen auf einigen Strecken zwar gute Alternativen dar. Der aktuelle Ausbaustand reicht aber auch mittelfristig in vielen Ländern bei Weitem nicht aus, um das gesamte Güterverkehrsaufkommen auf der Langstrecke auf diese Verkehrsträger zu verlagern. Auf der Kurzstrecke, im Zustellverkehr, im innerörtlichen Verteilerverkehr und bei zeitkritischen Transporten sind Bahn und Schiff in den meisten Teilen der Welt keine Alternative. Ohne Nutzfahrzeuge läuft im wahrsten Sinne des Wortes wenig bis gar nichts im Güterverkehr.
Die Stärke des Nutzfahrzeugs liegt dabei nach wie vor in seiner großen Flexibilität. Im Gegensatz zu Bahn oder Schiff, die auf Schienen und Wasserwege angewiesen sind, kann man mit Lkw und Transporter vom Versender bis an die Laderampen der Einzelhandelsgeschäfte und bis vor die Haustüren der Adressaten von Zustellsendungen fahren. Dieser Vorzug macht das Nutzfahrzeug insbesondere auch im Regionalverkehr unverzichtbar. Wirtschaftliche und ökologische Vorteile kann die Bahn nur auf der Langstrecke ausspielen. In großen Ländern wie China, Russland, Kanada oder den USA funktioniert dies deutlich besser als zum Beispiel im kleingliedrigen Europa mit zahlreichen Grenzen, nationalen Bahngesellschaften, unterschiedlichen Bahnsystemen und keinen eigenen Bahnnetzen für den Güterverkehr. Bei kürzerer Entfernung lohnt die Einschaltung der Bahn kaum – der Transport wird fast ausschließlich auf der Straße abgewickelt.
Konzepte für die letze Meile gewinnen immer mehr an Bedeutung
Letzteres gilt insbesondere auch für die „letzte Meile“, also für den Weg meist online bestellter Güter vom Verteilzentrum etwa eines Kurier-, Express- und Paketdienstleisters (KEP) zur Haustür des Endkunden. Angesichts der vielen innerstädtischen Verkehrsprobleme durch Staus und Schadstoffemissionen gibt es inzwischen zahlreiche Überlegungen und durchaus auch schon konkrete Ansätze, die „letzte Meile“ so verkehrs- und umweltfreundlich wie möglich abzudecken – etwa durch alternative Antriebsformen wie beispielsweise elektrisch angetriebene Verteiler-Lkw und Transporter oder mithilfe von Elektrolastenfahrrädern, Drohnen und Zustellrobotern. Dessen ungeachtet wird der Straßengüterverkehr seine dominierende Rolle aber auch hier noch eine ganze Weile behalten.
Welche Herausforderungen mit der „letzten Meile“ verbunden sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen der KEP-Studie 2017 des deutschen Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK): Danach haben die KEP-Dienstleister 2016 in Deutschland erstmals mehr als drei Milliarden Sendungen befördert – im Jahr 2000 waren es „nur“ 1,7 Milliarden. Das konstante Wachstum der letzten Jahre soll auch in Zukunft weitergehen, für 2021 prognostiziert der BIEK bereits mehr als vier Milliarden Sendungen. Der steigende Anteil insbesondere bei den Paketen liegt vor allem an den deutlich höheren Wachstumsraten des Onlinehandels im Business-to-Consumer-Segment und an der Zunahme der Business-to-Business-Sendungen. Neben dem immer stärker werdenden Onlinehandel – etwa mit Möbeln, Hobby- und Freizeitartikeln – wird für die Branche weltweit die taggleiche oder noch schnellere Belieferung („same day delivery“, „one hour delivery“), zum Beispiel mit Lebensmitteln, laufend wichtiger.
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen in urbanen Räumen leben und die Zahl der Megacitys mit mehr als zehn Millionen Einwohnern wächst, sind nachhaltige Mobilitätskonzepte gerade auch für die „letzte Meile“ unausweichlich. Laut einer Prognose der UN werden im Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben – im Jahr 1950 war es gerade mal ein Drittel. In Zahlen ausgedrückt: Zur Mitte des Jahrhunderts werden voraussichtlich 9,6 Milliarden Menschen auf der Erde leben, davon 6,4 Milliarden in Städten. Damit unweigerlich verbunden ist ein tendenziell extrem hohes Verkehrsaufkommen – bedingt nicht zuletzt durch „just in time“ Waren anliefernde Verteiler-Lkw und Transporter. Und das wiederum könnte sich auch negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken.
Nutzfahrzeuge liegen im Modalsplit-Vergleich deutlich vorne
Welche Bedeutung der Straßengüterverkehr heute hat, macht der Modal-Split-Vergleich mit anderen Verkehrsträgern schnell deutlich. Beispiel Deutschland: Laut Statistischem Bundesamt wurden hier im Jahr 2016 knapp 4,6 Milliarden Tonnen Güter transportiert. Davon entfielen wiederum 3,6 Milliarden Tonnen auf den Lkw. Die Beförderungsleistung betrug 2016 insgesamt knapp 660 Milliarden Tonnenkilometer, die durchschnittliche Beförderungsweite in Deutschland lag bei 143,5 Kilometern. Der Straßengüterverkehr erbrachte mit 472 Milliarden Tonnenkilometern 71,5 Prozent der Beförderungsleistung. An zweiter Stelle folgt mit großem Abstand die Schiene: 116 Milliarden Tonnenkilometer, also gerade mal 17,9 Prozent, entfielen auf die Bahn. Für das Jahr 2040 prognostiziert der World Transport Report 2015/2016 der Prognos AG für den Straßengüterverkehr eine Beförderungsleistung von 584 Milliarden Tonnenkilometern – gegenüber circa 280 Milliarden Tonnenkilometern für die Bahn und das Binnenschiff. Im Straßengüterverkehr nimmt übrigens die Internationalisierung immer weiter zu. So wurden zum Beispiel 2015 knapp 40 Prozent der auf deutschen Straßen erbrachten Beförderungsleistung von ausländischen Unternehmen durchgeführt.
Betrachtet man die Entwicklung des Güterverkehrs in der EU, erkennt man auch hier die Dominanz der Straße. Von 1995 bis 2015 legte der Straßengüterverkehr nach Angaben der EU-Kommission von knapp 1,3 auf über 1,7 Billionen Tonnenkilometer und somit um mehr als 33 Prozent zu. Die Schiene brachte es in diesem Zeitraum auf einen Zuwachs um lediglich 7,6 Prozent von 388 auf 418 Milliarden Tonnenkilometer. Was den Modal Split der Verkehrsträger im EUBinnenverkehr im Jahr 2015 anbelangt, machte die Straße 75,3 Prozent aus, die Schiene 18,3 Prozent und die Wasserstraße 6,4 Prozent. Diese Verteilung ist seit vielen Jahren mehr oder weniger unverändert. In den meisten EU-Mitgliedstaaten liegt die Straße mit großem Abstand vorne, Spitzenreiter waren 2015 Spanien mit 94,1 Prozent, Italien mit 86,5 Prozent und Frankreich mit 85,4 Prozent. In den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen dominierte dagegen der Schienentransport mit Werten zwischen 52,4 und 79,8 Prozent. In den Niederlanden nimmt seit Jahren der Gütertransport per Schiff einen hohen Anteil ein. Dieser lag 2015 bei 45,5 Prozent und damit nur knapp unter dem der Straße mit 48,3 Prozent.
Die dominierende Rolle des Nutzfahrzeugs im Güterverkehr wird auch schnell deutlich, wenn man sich die Entwicklung der Zulassungs- beziehungsweise Bestandszahlen über die letzten Jahre näher betrachtet. In ihrem „Statistical Pocketbook“ von 2017 zum Thema Transport weist die EU-Kommission für das Jahr 2000 rund 27,5 Millionen in der EU für den Straßengütertransport registrierte Fahrzeuge aus. Bis zum Jahr 2015 ist diese Zahl auf über 36,5 Millionen und somit um circa 33 Prozent gestiegen. Die Staaten mit dem höchsten Nutzfahrzeugbestand waren zu diesem Zeitpunkt Frankreich (6,56 Millionen), Spanien (5,05 Millionen), das Vereinigte Königreich (4,24 Millionen), Italien (4,1 Millionen), Polen (3,43 Millionen) und Deutschland (knapp drei Millionen).
Vor dem Hintergrund des zuvor schon angesprochenen immensen Zuwachses im KEP-Bereich ist auch interessant, dass in den letzten Jahren der Bestand bei den Güterkraftfahrzeugen vor allem in der Gewichtsklasse zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen europaweit stark zugelegt hat. In Deutschland zum Beispiel nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes zwischen den Jahren 2000 und 2015 von knapp 302.000 auf knapp 1,2 Millionen. Der Bestand in diesem Segment hat sich somit nahezu vervierfacht. Bis zum Jahr 2040 soll der gesamte Bestand an Nutzfahrzeugen in Deutschland, so prognostiziert es die Shell Nutzfahrzeugstudie 2016, auf 3,5 Millionen steigen. Das wäre gegenüber heute ein weiterer Zuwachs um 17 Prozent.