Richtig getragene Fahrradhelme reduzieren Risiko schwerer Kopfverletzungen bei einem Unfall deutlich
Um das Nutzenpotenzial von Fahrradhelmen in realen Unfallszenarien zu testen und aufzuzeigen, wurden in der Vergangenheit unter anderem von DEKRA schon zahlreiche Crashversuche durchgeführt.
Mit der zunehmenden Verbreitung von ERollern stellt sich die Frage, ob Fahrradhelme auch hier ihre Schutzwirkung entfalten können. Zu diesem Zweck wurden im DEKRA Crash Test Center drei Versuche durchgeführt. Simuliert wurde der Anprall eines Rollers gegen einen Bordstein mit anschließendem Sturz des Nutzers, dargestellt durch einen Hybrid-III-Crashtest-Dummy. Im ersten Versuch war der Dummy-Kopf ungeschützt, im zweiten wurde ein Helm verwendet. Als platzsparende und im Bereich der Mobilität auf der letzten Meile sehr praktikable Lösung wurde im dritten Versuch ein Airbaghelm verwendet.
Die Passform eines Helms entscheidet massgeblich über seine Schutzwirkung.
Die Messung der Kopfbelastungswerte erfolgte mit der standardmäßigen Sensorik im Dummy. Hierbei werden Beschleunigungswerte gemessen, die auf den Kopf wirken. Die Transformation der Beschleunigungswerte auf das Verletzungsrisiko erfolgt dabei über den Wert des Head Injury Criterions (HIC). Hintergrund: Der menschliche Kopf ist bei jedem Unfall verschiedenen, teilweise sich überlagernden Belastungsformen ausgesetzt. Dazu gehören translatorische und rotatorische Beanspruchungen, die hauptsächlich auf die Knochenund die Gehirnmasse einwirken. Es entstehen – je nach Belastung – Relativverschiebungen der Gehirnmasse im Schädel, wobei leichte bis schwerste Verletzungen möglich sind. Für die Bewertung und den Vergleich der möglichen Verletzungsschwere wurde das dimensionslose HIC entwickelt.
In Crash-Versuchen wird dieses Kriterium mittels Dummy oder teilweise auch in Simulationen ermittelt. Es basiert auf der Verknüpfung von Betrag und Einwirkdauer der Verzögerung, die auf den Kopf bei einem Unfall in allen Raumachsen wirkt. Die Einwirkdauer ist dabei entscheidend für den Einfluss der Beschleunigung auf das Risiko einer irreversiblen Schädel- beziehungsweise Hirnverletzung. Für einen kurzen Anprall des Kopfes von etwa 15 Millisekunden an einen Gegenstand beschreibt der Wert HIC15 mit 1.000 die 50-prozentige Wahrscheinlichkeit des Risikos einer irreversiblen Verletzung. Für eine vergleichsweise länger wirkende Verzögerung ohne direkten, harten Anprall des Kopfes (Einwirkdauer circa 36 Millisekunden) wird der Wert HIC36 mit 700 als bestimmender Grenzwert für ein 50-prozentiges Risiko für eine nicht tolerierbare irreversible Verletzung herangezogen.
Beim Crashtest ohne Helm waren die beim Aufprall des Kopfes auf den Boden gemessenen Beschleunigungswerte sehr hoch – der HIC36-Wert lag bei 5.282. Bei dem im Versuch gemessenen Wert ist mit schwersten bis tödlichen Kopfverletzungen zu rechnen. Im zweiten Versuch trug der Dummy einen Fahrradhelm. Die Kopfbelastungen wurden dadurch auf den HIC36-Wert von 122 reduziert. Das Risiko einer schwerwiegenden Kopfverletzung konnte so deutlich verringert werden. Im dritten Versuch erkannte der Auslösealgorithmus des Airbaghelms den Sturz des Dummys, der Airbag wurde entfaltet. Auch in diesem Versuch spricht der gemessene HIC36-Wert von 169 eine eindeutige Sprache: Das Risiko schwerer Kopfverletzungen ist sehr gering.
Da von einem Dummy keine Abwehrreaktionen wie ein Abstützen mit der Hand erfolgen, die bei einer nicht alkoholisierten Person mit normalem Reaktionsverhalten zu erwarten sind, liegen die gemessenen Werte in allen Versuchen im jeweils oberen zu erwartenden Bereich. Das enorme Schutzpotenzial eines Helms oder Airbaghelms wird aber in jedem Fall deutlich. Einen zusätzlichen, in den Versuchen nicht darstellbaren Effekt lässt der Airbaghelm vermuten. Entsprechend einer Studie der US-amerikanischen Stanford-Universität trägt der großvolumige Airbag dazu bei, das Risiko einer Gehirnerschütterung gegenüber konventionellenFahrradhelmen zu reduzieren.
Als Fazit lässt sich eindeutig feststellen, dass richtig getragene Fahrradhelme das Risiko schwerer Kopfverletzungen bei einem Unfall – egal ob mit Unfallgegner oder bei einem Sturz ohne Fremdbeteiligung – deutlich reduzieren. Der Airbaghelm zeigte bei DEKRA Versuchen mit der Konfiguration Pkw gegen Fahrrad deutliche Schwächen in der Crash-Erkennung (siehe auch Unfallbeispiel 8, Pkw kollidiert mit Fahrrad). Diese zeigten sich auch schon in Versuchen anderer Testhäuser, sodass hier nicht von einem Einzelfall gesprochen werden kann. Bei Stürzen erfolgt die Auslösung aber sehr zuverlässig und das Schutzniveau liegt mindestens auf dem konventioneller Helme. Für alle diejenigen, die keinen Helm tragen wollen, weil er die Frisur zerstört oder nicht dem eigenen Schönheitsideal entspricht, oder denen er wegen der Größe beim Weg zur Arbeit mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu unhandlich erscheint, kann der Airbaghelm eine Alternative sein.
Die Versuche haben aber auch gezeigt, dass Fahrradhelme nicht nur beim Fahrradfahren schützen. Auch auf Elektrokleinstfahrzeugen haben die Helme ihre Berechtigung und sollten bei jeder Fahrt getragen werden. Die Tests haben aber auch untermauert, dass ein alter Helm zwar besser ist als kein Helm, den Vorgaben der Hersteller zum Ersatz der Helme nach einer gewissen Nutzungsdauer aber Beachtung geschenkt werden sollte, um die optimale Schutzwirkung zu haben. Die Empfehlungen lagen bei den getesteten Helmen bei einer Nutzungsdauer von drei bis fünf Jahren. Stark beanspruchte Helme wie der ständig herunterfallende Kinder- oder Jugendhelm sollten eher noch häufiger ersetzt werden. Von den Herstellern wird das Kaufdatum als Beginn der Nutzungszeit angegeben, dennoch sollte man beim Kauf das im Helm verpflichtend anzugebende Herstellungsdatum prüfen und darauf achten, keinen allzu lange gelagerten Helm zu kaufen.
Eine wesentliche Rolle spielt auch die Passform des Helms. Wie bei Schuhen gibt es hier von Hersteller zu Hersteller und von Modell zu Modell Unterschiede. Anprobieren und vergleichen sind daher sehr wichtig. Der teuerste und bei Tests als Sieger hervorgegangene Helm bringt nichts, wenn er wegen schlechter Passform nicht getragen wird oder deshalb seine Schutzwirkung nicht voll entfalten kann.