Vermeidung vieler Unfälle durch Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
Die Ausführungen in diesem Kapitel machen deutlich, wie wichtig es ist, dass es möglichst erst gar nicht zu sicherheitsgefährdenden Situationen für Kinder im Straßenverkehr kommt. Und dazu können andere Verkehrsteilnehmer wie zum Beispiel Fahrerinnen und Fahrer von Pkw als häufigste Unfallgegner von Kindern einen wesentlichen Beitrag leisten. Zum Beispiel durch ihre Fahrweise.
Grundsätzlich besteht das Ziel der meisten Fahrten darin, möglichst schnell, komfortabel und sicher von A nach B zu kommen. Hindernisse, die diesem Ziel entgegenstehen, werden dabei – mit großen Unterschieden in verschiedenen Regionen und abhängig vom Verkehrsmittel – zähneknirschend akzeptiert, so weit als möglich umgangen oder gleich gänzlich ignoriert. Während rote Ampeln in aller Regel von Fahrern von Kraftfahrzeugen beachtet werden, nimmt die Akzeptanz bei Radfahrern deutlich ab, bei vielen Fußgängern scheinen sie oft nur noch einen empfehlenden Charakter zu haben. Auch die Risiken, die durch die Nutzung von Mobiltelefonen im Straßenverkehr erwachsen, sind hinlänglich bekannt. Allzu oft werden aber, Verboten zum Trotz, Textnachrichten geschrieben und gelesen oder die Playlisten durchstöbert. Dass man dabei sich selbst und andere gefährdet, wird billigend in Kauf genommen. Ähnlich sieht es bei der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aus. In Ländern mit geringer Überwachungsdichte und niedrigen Bußgeldern scheinen 10 km/h mehr gesellschaftlich akzeptiert zu sein, 20 km/h darüber „sind auch noch drin“. Hält sich ein Verkehrsteilnehmer an die Limits, wird dicht aufgefahren, genötigt und riskant überholt. Welche gravierenden Folgen aber schon geringe Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit haben können, macht sich kaum jemand bewusst. Vor allem für Kinder können Unfälle dann ganz schnell tödlich ausgehen.
Folgendes Beispiel, in einem Crashtest von DEKRA visualisiert, soll die Problematik verdeutlichen: Ein Pkw fährt auf einer auf 30 km/h begrenzten Straße durch ein Wohngebiet. Am Fahrbahnrand parken Fahrzeuge. Zwischen zwei geparkten Fahrzeugen wird ein Kinderwagen zum Queren der Fahrbahn hervorgeschoben. Die Fahrerin oder der Fahrer des Pkws hält sich exakt an die zulässige Höchstgeschwindigkeit, erkennt die Situation und reagiert mit einer Vollbremsung. Unmittelbar vor dem Kinderwagen wird das Fahrzeug zum Stehen gebracht. Eine erschreckende Situation für alle Beteiligten, aber zum Glück ohne Kollision.
Anders sieht es aus, wenn das Fahrzeug in der gleichen Situation „nur“ 10 km/h schneller ist. Wurden während der Reaktionszeit von einer Sekunde im ersten Fall rund 8,3 Meter zurückgelegt, werden bei 40 km/h Ausgangsgeschwindigkeit 11,1 Meter zurückgelegt. Das Fahrzeug, das aus 30 km/h nach einer gesamten Wegstrecke von 12,9 Metern zum Stillstand kommt, steht aus einer Geschwindigkeit von 40 km/h erst nach 19,3 Metern. Der Kinderwagen wird nach 12,9 Metern noch mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h erfasst. Für das Baby im Kinderwagen oder auch einen Fußgänger wären schwerste bis tödliche Verletzungen zu erwarten. Ganz eilige Fahrerinnen oder Fahrer, die mit 50 km/h unterwegs sind, legen während der Reaktionszeit 13,9 Meter zurück. Im Kollisionspunkt hat die Abbremsung damit noch gar nicht begonnen, der Kinderwagen wird, wie im Crashtest gezeigt, mit 50 km/h und fatalen Folgen für das Baby getroffen.
Die Erfahrungen der DEKRA Unfallforschung zeigen, dass das plötzliche Erscheinen von Fußgängern oder Radfahrern – sehr häufig Kindern – zwischen geparkten Fahrzeugen oder hinter sonstigen Sichthindernissen wie Reklametafeln oder Schaltkästen sehr oft vorkommt und dann auch immer wieder zu Unfällen führt. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie dem Verzicht auf Handy & Co. könnten viele dieser Unfälle vermieden werden.
Nicht zu vernachlässigen sind dabei die psychischen Folgen für die Fahrerinnen und Fahrer selbst. Wenn man vor Gericht durch einen Sachverständigen vorgerechnet bekommt, dass man bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit den Unfall hätte vermeiden können, durch „nur“ 10 km/h mehr aber das Leben eines Kindes und von dessen Familie ruiniert hat, ist dies viel belastender als die unweigerliche Strafe. Wer also möglichst schnell, komfortabel und sicher von A nach B kommen will, sollte der Sicherheit die größte Bedeutung zumessen – ansonsten läuft man Gefahr, im Extremfall gar nicht anzukommen.